
- Keine Rechtfertigung für Kirchenasyl
Die Trennung von Staat und Kirche war in Deutschland immer halbherzig. Trotzdem muss man nicht einfach hinnehmen, dass die Kirchen sich Privilegien anmaßen, die tragende Prinzipien des Rechtsstaates aushebeln – zum Beispiel beim Kirchenasyl.
Der Anstieg von Fällen des sogenannten Kirchenasyls hat in dieser Woche einige Wellen geschlagen. 2386 Fälle sollen es im Jahr 2024 gewesen sein – und damit 300 mehr als im Jahr zuvor. Fast alle davon waren sogenannte Dublin-Fälle. Mehr noch als der Anstieg sollte uns aber ganz grundsätzlich die stillschweigende Akzeptanz eines Instituts besorgen, für die es meines Erachtens keine rechtliche, politische oder moralische Rechtfertigung gibt.
Das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften ist nie spannungsfrei, und in Deutschland seit jeher eine besonders komplizierte Sache. Das dachten sich wohl auch die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes und haben daher gar nicht versucht, das Verhältnis von Staat und Kirchen neu zu ordnen.
Stattdessen erklärten sie kurzerhand über Artikel 140 des Grundgesetzes fünf Artikel der Reichsverfassung von 1919 zum Bestandteil des Grundgesetzes. Und so kommt es, dass wir zwar über Artikel 137 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung die beruhigende Gewissheit haben, dass es in Deutschland keine Staatskirche gibt, dafür aber einige Privilegien für die Kirchen in Deutschland.
Trennung von Staat und Kirche
Am wichtigsten ist dabei die verfassungsmäßige Garantie, dass die Religionsgemeinschaften sich frei zusammenschließen dürfen und ihre Angelegenheiten selbst regeln können sollen. Gleiches gilt für nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften. So weit, so gut – für einen modernen liberalen Rechtsstaat. Kritischer bewerten darf man das Privileg aus Art. 137 Abs. 5, das den Kirchen garantiert, den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu behalten, „soweit sie solche bisher waren“. Die großen Kirchen haben also öffentlich-rechtlichen Status, weil es schon zu Kaisers Zeiten so war.
Die Trennung von Staat und Kirche war in Deutschland also immer halbherzig. Am deutlichsten wird das im ebenfalls verfassungsmäßig garantierten Recht, Steuern zu erheben. Man kann darüber streiten, wie sinnvoll das im Jahr 2025 ist, aber man muss das hinnehmen, bis eine verfassungsändernde Mehrheit zu einer anderen Regelung findet. Nicht hinnehmen muss man hingegen, dass die Kirchen sich Privilegien anmaßen, die darüber hinausgehen und tragende Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates aushebeln – zum Beispiel beim Kirchenasyl.
Eine Sache zwischen Staat und Ausreisepflichtigem
Es gibt eine Minderheitsmeinung in der juristischen Literatur, die aus dem oben skizzierten Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften dieses Recht der Kirchen auf Gewährung eines sogenannten Kirchenasyls konstruiert. Viele namhafte Rechtswissenschaftler und auch die Verwaltungsgerichte haben diesem Konstrukt aber eine scharfe Abfuhr erteilt. Und das ist auch notwendig.
Niemand käme auf die Idee, der Kirche ein Interventionsrecht in anderen Fragen der Verwaltungsvollstreckung zuzubilligen. Vielleicht klopfen Sie mal bei nächster Gelegenheit mit einer existenzbedrohenden Nachforderung des Finanzamts an der Kirchentür und bitten um Schutz vor dem Zugriff des Staates. Es wird Ihnen nicht helfen. Denn es handelt sich hier klar eben nicht um eine innere Angelegenheit der Kirche, die das Selbstorganisationsprivileg umfasst, sondern um eine Angelegenheit zwischen Staat und Steuerpflichtigem.
Und so ist auch die Frage einer drohenden Abschiebung allein eine Sache zwischen Staat und Ausreisepflichtigem. Will man – zweifellos bestehende – Härtefälle noch einmal einer gesonderten Betrachtung zuführen, so muss man das ebenfalls auf gesetzlicher Grundlage tun. Das ist übrigens in § 23a des Aufenthaltsgesetzes geschehen, auf dessen Grundlage alle Bundesländer sogenannte Härtefallkommissionen unterhalten, in denen fast überall auch die evangelische und die katholische Kirche vertreten sind. Diese Kommissionen gewähren in bestimmten Härtefällen ein Aufenthaltsrecht.
In meiner schleswig-holsteinischen Heimat lag die Quote positiver Entscheidungen immerhin bei über 50 Prozent, in manchen Bundesländern lag sie auch schon mal bei über 80 Prozent. Nun kann man diese Kommissionen auch aus rechtstheoretischen Gründen durchaus kritisch sehen. Aber sie arbeiten auf gesetzlicher Grundlage, mit klaren Kriterien und Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit. All das gilt für die Praxis des Kirchenasyls nicht.
Und noch etwas wird durch die Existenz der Härtefallkommissionen klar: Es gibt nicht nur keine rechtliche Rechtfertigung für diese Praxis, es gibt auch keine moralische. Ich halte es daher für schlicht nicht länger hinnehmbar, dass der Staat diese Praxis weiter toleriert – oder, wie das BAMF, durch eine informelle Absprache mit den Kirchen sogar weiter befördert. Deutschland ist ein Rechtsstaat, und die Kirchen haben keine höhere moralische Einsicht in Angelegenheiten, die dieser Rechtsstaat bewältigen und regeln muss.
Althergebrachte Rechte der Kirchen
Die Kirchen erleben einen massiven Vertrauens- und Ansehensverlust. Ihre gesellschaftliche Relevanz erwächst nicht aus einem göttlichen Auftrag, sondern aus der Anzahl der Menschen, die sie im Land vertreten. Und das werden beständig weniger – ganz anders als bei anderen Religionsgemeinschaften. Das führt auch dazu, dass inzwischen unter anderem auch muslimische Religionsgemeinschaften den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft genießen, denn auch das sagt die Verfassung: Auch anderen Religionsgemeinschaften sind die althergebrachten Rechte der Kirchen zu gewähren, „wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten“.
Wie gedenkt der Staat also damit umzugehen, wenn sich in Zukunft Ausreisepflichtige auf ein „Moscheeasyl“ berufen? Wer das eine toleriert, kann das andere schlecht ablehnen, denn das wäre eine völlig willkürliche Diskriminierung einer bestimmten religiösen Anschauung. Wir sind daher gut beraten, wenn wir die Grenze zwischen staatlichem und kirchlichem Bereich wieder klar ziehen. Ich lehne ein potenzielles Moscheeasyl und das Kirchenasyl im gleichen Maße ab. Und jeder aufgeklärte Staatsbürger wird das ähnlich sehen.
Elementare Prinzipien unseres Zusammenlebens
Die Kirchen sind im Übrigen nach wie vor sehr vermögende Organisationen – und das beileibe nicht nur wegen ihrer Immobilien. Ihnen gehören laut Schätzungen des Thünen-Instituts 2,3 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland, das entspricht über 380.000 Hektar. Unter anderem für die im 19. Jahrhundert im Zuge der Säkularisierung enteigneten Ländereien erhalten beide Kirchen zusammen Jahr für Jahr stattliche Zahlungen der Bundesländer in Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro – die sogenannten Staatsleistungen.
Diese Staatsleistungen sind übrigens laut Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung „abzulösen“, also nach einer angemessenen Einmalzahlung zu beenden. Aber da dieser Verfassungsauftrag seit über 100 Jahren beharrlich ignoriert wird – wofür es spätestens seit Vollendung der deutschen Einheit keine Entschuldigung mehr gibt –, fließen die Gelder vorerst verlässlich jährlich weiter.
Hinzu kommen Einnahmen aus Kirchensteuern, die sich 2023 auf 12,5 Milliarden Euro beliefen und die der Staat für die Kirchen einzieht. Das dürfte genug Spielraum eröffnen, um Barmherzigkeit walten zu lassen, ohne dabei den Rechtsstaat herauszufordern. Und die katholische Kirche ist zudem in der komfortablen Position, dass ihre Organisation in Rom ein souveränes Staatsgebiet besitzt, das zudem eine absolutistische Wahlmonarchie ist. Dort muss sie keine Rücksicht nehmen auf den demokratischen Rechtsstaat, weil er dort nicht existiert. Dort kann sie Aufenthaltsrecht gewähren, wie auch immer es ihr beliebt.
In Deutschland aber müssen die Kirchen akzeptieren, dass das demokratisch gewählte Parlament über die Gestaltung des Aufenthaltsrechts befindet – und nicht die Kirchen. Der Rechtsweg führt überdies zu den unabhängigen Gerichten und nicht zur Kirchentür. Es wäre im Sinne aller Beteiligten, wenn alle diese einfachen, aber elementaren Prinzipien unseres Zusammenlebens akzeptieren würden.
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Beim Thema "Kirchenasyl" offenbart sich die ganze Zwiespältigkeit der kirchlichen Vorgehensweise: Die eigentlich Schutzbedürftigen können die Mittel für die Schleusernetzwerke nicht aufbringen. Die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt engagieren sich seit Jahrzehnten für diese Gruppe. Hier liegt der Schlüssel zur Problemlösung, nicht in demonstrativer Missachtung (meist durch mehrere Instanzen gegangene) staatlicher Entscheidungen. Insbesondere die sich dabei stark profilierende evangelische Kirche sollte sich daran erinnern, dass sie sich in der NS-Zeit beim Widerstand gegen offensichtliches staatliches Unrecht nicht besonders hervorgetan hat.
von Menschen innerhalb der katholischen und evangelischen Kirche, die das sog. "Kirchenasyl", wie es zur Zeit praktiziert wird, bejahen u. aktiv unterstützen.
Leider sind es fast immer die radikalen, narzisstischen "Weltverbesserer", die in jeder größeren o. kleineren Gemeinschaft den Ton angeben. Sie treten selbstbewußt auf mit dem Anspruch auf Moral und Recht und bestimmen viel zu oft die Agenda.
An allen Anderen läge es nun, gegen diese
selbsternannten "Wahrheits-u. Moral-Apostel"
ihre Stimme zu erheben und sich argumentativ - ruhig, aber dezidiert - dagegen zu stellen. Aber dies geschieht eben nicht!!!
Stattdessen verlassen die Unzufriedenen lieber die Kirchen und sagen sich: "Ich lebe meinen Glauben nun eben für mich alleine."
Diese Reaktion hat katastrophale Folgen; denn der christliche Glaube läßt sich nicht isoliert leben, sondern er er ist auf GEMEINSCHAFT gegründet. Kern dieses Glaubens ist die LIEBE (Caritas), und diese kann nur in Beziehungen verwirklicht werden.
Es gibt Dinge in Deutschland die einen perplex machen.
Dazu gehören das sog Kirchenasyl; das Rückgängigmachen von legalen und offiziellen Wahlen; die rigorose und komplette Ausgrenzung der politischen Vertretung von 20% der Wahlbevölkerung; das Ungültigmachen von Teilen des Grundgesetzes durch einfache mündliche Erklärung; die Vernichtung von sicheren Und völlig abgeschriebenen Atomkraftwerken weil dieses gegen die Gene einer Minderheiten Partei (Grüne) ginge und damit die Derentabilisierung von ehemals rentablen Industriezweigen; das Zulassen der völlig unkontrollierten Einwanderung von Menschen aus völlig anderen Kulturkreisen ohne jemals die Bevölkerung über die entsprechenden Konsequenzen (Sicherheit, Wohnungsknappheit, Schulen und Wohlstand) aufzuklären; und Medien die die Regierung nicht mehr kritisch begleiten sondern ihr applaudieren (natürlich mit Ausnahmen) einschließlich von Herzformaten die an übelste Beispiele erinnern.
Wirkliche Demokratie geht anders.
... muss es heißen. Kubicki hat recht!
Martin Luther redete unmissverständlich Klartext: Wir Christen glauben nicht an einen weltlichen Machthaber, oder an eine linke oder rechte Ideologie, aber auch nicht an Pfarrer, Bischof oder Papst, sondern allein an Gott, der in Jesus Christus in die Welt kam, dass wir allein IHM nachfolgen. Und ich sage: Gott hat kein Parteibuch ... und lässt sich nicht von Ideologen vereinnahmen. Punktum! Wer was anderes will, ist ein Häretiker! Und ich frage mich, wie viele in den Kirchgemeinden und Kirchensympathisanten, ob dem Bodenpersonal Gottes die Bodenhaftung fehlt, weil es immer öfter einem linken Zeitgeist hinterher läuft? Stellt man jetzt lieber beliebige „moderne“ Angebote ins Kirchen-Schaufenster, anstatt Gottes Wort? Wenn dem so ist, hat die evangelische Kirche ihre Existenzberechtigung verloren und wird auf Dauer so nicht überleben können.“
(aus „Als das Rote Meer grüne Welle hatte - Von der Nikolaikirche in die Freiheit“ GHV 2021)
Viele Synoden (Kirchenparlamente) sind links-grün unterwandert! Von wem war so das geplant: Kirche aufzuspalten und rot-grün-kommunistisch zu unterwandern? Von Grün-Roten Synodalen, die ihre Ideologie vor den Glauben stellen, ist offensichtlich kein Heil zu erwarten. So wurde Klima-Chaotin Greta Thunberg zur Synode der Evangelischen Kirche eingeladen und mit stehenden Ovationen gefeiert. Da war wohl nicht der Heilige Geist am Werk, sondern der linke Zeitgeist? »Mein Haus wird ein Bethaus heißen für alle Völker? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.« (Mk. 11,17) Damit hat diese vorwiegend linke Kirchenleitung ihre Existenzberechtigung verloren! Und ja, wir sind von Gott in diese Welt hineingestellt und haben hier und jetzt unsere Aufgabe zu erfüllen, aber wir gehen in dieser Welt mit ihren ideologischen Verirrungen nicht auf!
Peinlich jetzt: "Prophetin Greta" hat sich nun als Antisemitin geoutet. Prophetin jetzt plötzlich nicht mehr? Peinlich für die Synodalen Irrlehrer?!
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